ok... "nicht ganz aus Deutschland".. aber fast...

Nix da mit Skihütten-Geschrammel und Oktoberfest-Orgien zu "Ein Stern, der deinen Namen trägt" - DJ Ötzi ist jetzt Gerry Friedle (der war er vorher allerdings auch schon), und er hat einen knackigen Image-Wechsel hinter sich. Das merkt man nicht nur an "Kapperl runter und Brille auf". Den Party-Krachern hat er allerdings nicht Lebewohl gesagt.

Wie wird er wohl sein? Wird er so lustig sein, wie man ihn sich vorstellt, weil man seine Musik meist in lustiger Gesellschaft hört? Oder wird er ganz anders sein als sein Image es vermuten lässt? Soll ich ihm sagen, dass ich mir "Ein Stern, der deinen Namen trägt" auf der letzten Oktoberfest-Sause drei Mal gewünscht habe? (Und immerhin wurde mir der Wunsch zwei Mal erfüllt!). Und soll ich so tun, als ob ich ein ganz großer Fan bin (könnte peinlich bei Rückfragen werden) oder soll ich ganz cool so tun, als ob ich mich für seinen Sound überhaupt nicht interessiere? Am besten, ich halte es wie immer: Ich bin offen für Überraschungen.

Und so ist es dann auch: Erstens tragen der Ötzi und ich fast dasselbe Nasenfahrrad und zweitens ist er ein ganz normaler Mann mit einem sympathischen Akzent und blitzenden Augen, der weder schunkelt wenn er läuft noch jodelt wenn er spricht. Fast bin ich ein bisschen enttäuscht, aber das entspannt sich sofort wieder, als der Ötzi sagt, dass er der Gerry ist und ob ich einen Kaffee trinken möchte.

Meine erste Frage beantwortet er mit "nein": Ich wollte wissen, ob er den Party-Krachern nun Lebewohl sagt, aber da liege ich - zum Glück - ganz falsch. "Das war eine Phase in meinem Leben, dazu stehe ich, und wer weiß, vielleicht habe ich Lust, das eines Tages wieder zu machen." Jetzt momentan hat er allerdings mehr Lust auf Veränderung, und die sieht so aus: Sein neues Album heißt "Du & Ich" und es zeigt ihn, wie er sich noch nie gezeigt hat: Sensibler, verletzlicher, mit Texten, die etwas zu sagen haben: "Das ist eine Momentaufnahme. Wenn man die Songs hört, weiß man vielleicht nicht sofort, was genau anders ist, aber man spürt, dass sich viel verändert hat." Ja, man erwartet von DJ Ötzi schließlich fröhliche Spaßnummern im Ballermann-Stil, "aber man kennt es - noch - nicht, dass er emotional berührt ist und Gefühle zeigt", befürchtet Gerry Friedle. Da muss ich ihm allerdings widersprechen: Man merkt sofort, dass etwas passiert ist auf seinem neuen Album, denn auch, wenn der DJ Ötzi nicht den meisten Platz in meiner CD-Sammlung einnimmt, muss ich doch gestehen, dass mir der eine oder andere neue Song eine Gänsehaut verpasst hat. Das passiert ja gerne, wenn man mit etwas nicht rechnet, und das ist auch seine Absicht: "Ich hab' keinen Bock auf eine Schublade, da pass' ich doch gar nicht rein!"

Wo passt er denn rein? "Na nirgends, " antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Vielleicht ist er ja auch eine Art Medium: Wenn der "Anton aus Tirol" oder der "Stern" gesungen werden will, dann ist er da. Wenn "Hey Baby!" raus muss, dann ist auch der Ötzi da. Und wenn jetzt eben gefühlvollere Musik zu singen ist, dann ist der Herr Freidle auch zur Stelle. Diese Vorstellung gefällt ihm - ein Medium zu sein.

Seine Fans folgen ihm eh, die Charts geben ihm recht. Und das Wort "Fan" mag er gar nicht - er will sie lieber Freunde nennen, das andere klingt ihm zu sehr von oben herab. "Die haben das verdient, wertvolle Geschichten zu bekommen!" Und er fügt selbstkritisch hinzu: "Ich bin nicht so ein geiler Typ, der alles weiß, ich weiß aber: Wenn ich nicht diene, dann habe ich auch nichts verdient." Wertvolle Geschichten wie in "Tauch auf", meint er damit , aber eigentlich meint er das ganze Album. Das Ziel war Offenheit: "Was für ein Gefühl habe ich gerade? Und dieses ganz klar rüber zu bringen, auf eine Platte zu singen, das macht Sinn! Und Spaß!"

Ja, aber, als was sollen wir ihn denn jetzt sehen? Als Liedermachen? Chansonnier? Deutscher Rapper? "Ganz ehrlich, das ist mir völlig wurscht", lächelt er und betont noch einmal, dass es momentan keine Schublade für ihn gibt. Außer der einen: Er ist mit Leib und Seele Sänger! Er lässt sich gerne von seinen Fans ansprechen, und sobald er das Haus verlässt "bin ich auf der Bühne". Nur seine kleine Tochter, die will er von dem Trubel fernhalten: "Die ist stolz auf ihren Papi, und sie interessiert es schließlich auch nicht, in welcher Schublade ihr Vater steckt." Eine gesunde Einstellung, und vor allem eine, die viel Spielraum lässt.

Hat er denn schon Pläne für das nächste Album? "Was findest du denn, was gut zu mir passen würde", fragt er ein bisschen provozierend. Spontan sage ich: "Vielleicht Jazz?", und DJ Ötzi wiegt sein unbemütztes Haupt und sagt. "Das finde ich auch gut. Aber mir wär' eher nach Country. Mal sehen, was die Plattenfirma davon hält." Und vielleicht auch in englisch. "Die Idee steht," betont er.

Ein nachdenklicher Lotto-Sechser

Was ihm wichtig ist, ist Ordnung in seinem Leben, denn "ich war auch schon sehr viel im Chaos". Auf "Du & Ich" erzählt er nun von seinem Leben, er ist eindeutig erwachsener geworden. "Ich habe immer meine Chancen gesehen, und dann habe ich sie genutzt!" Aber wie ist es dazu gekommen? "Das ist eine ganz normale Entwicklung, jeder Künstler probiert sich doch aus." Okay, aber was waren die Auslöser? Er wollte mal ein paar leise Töne bringen, ein Lied wie "Herz aus Gold" seiner Oma widmen, der er sehr viel zu verdanken hat, seiner Tochter ein Kinderlied singen, und bei alledem immer an seine Frau denken. "Das war so bei jedem Lied, egal, ob es eine Ballade ist oder ein Up-Tempo-Nummer, das Lied muss erobert werden, wie eine Frau", gerät er ins Schwärmen. "Jetzt spür' ich mich ganz anders, erst jetzt nehm' ich mich so richtig wahr. Ich muss mich ja nicht ständig neu erfinden!"

DJ Ötzi ist jetzt glücklicher: "Stell' dir vor, du kommst von der Straße und bist von heute auf morgen bekannt, beliebt, ein Lotto-Sechser. Das bringt einen ganz nach oben, aber auch wieder runter. Jetzt komme ich damit besser klar." Zum Glück hat er Momente, in denen er sich erden kann: "Beim Fußballspielen mit meinen Freunden, da freu' ich mich drauf. Und auf Weihnachten freu' ich mich auch, dann ist endlich mal Ruhe!"

Wenn er aber so Persönliches singt, gibt er da nicht viel zu viel von sich preis? "Warum denn? Was soll passieren? Wenn die Leute sagen, der Ötzi ist aber persönlich, dann freut mich das! Und wer keinen Mut hat, der kann auch nichts zurück bekommen!" Hat er keine Angst vor Verrissen? "Doch, aber damit lebe ich ja schon immer! Und seit dieser Platte hier weiß ich sowieso, dass jeder Traum seinen Preis hat." Er lächelt. Wenn er sich etwas aussuchen könnte, wenn er etwas bestimmen könnte, was wäre das? "Ich würde versuchen, Vorurteile abzuschaffen. Mir gegenüber!" Da schimmert dann ein bisschen durch, dass an DJ Ötzi doch nicht alles abperlt wie Wasser von einem Lotusblatt.

Am Schluss fragt er noch fast schüchtern: "Und, hörst du dir die CD nochmal an?" Er bemerkt das Zögern, und lacht selbst. Aber doch, ich werd' sie nochmal hören.