Pfiffe, Wut und Durchhalteparolen nach dem schwachen 1:1 gegen Leverkusen. Bayerns Coach van Gaal plötzlich ganz kleinlaut. Rummenigge droht: „Wir müssen jetzt die Kurve kriegen“



Ein Unentschieden, bestenfalls, ein schmeichelhaftes. Mit viel Wohlwollen. Die Südkurve rettete nach dem Schlusspfiff noch, was zu retten war. Als einige der Bayern-Profis zaghaft Richtung Kurve getrottet waren, um sich für die Unterstützung zu bedanken, klatschten doch tatsächlich einige der Hardcore-Fans. Es gelang ihnen einigermaßen, die Pfiffe aus dem Rest der Arena zu übertönen.

Die Abstimmung des Publikums fiel in der Mehrzahl, nicht in der Dezibelzahl, negativ aus nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen. Ein Punkt gegen den Spitzenreiter, der Abstand von sechs Punkten bleibt. Okay, das ist die eine Seite. Die Kehrseite: Es war das dritte Remis in der Liga hintereinander, seit vier Pflichtspielen ist man, ist Trainer Louis van Gaal ohne Sieg.

Ein 1:1 im „Spiel der Spiele der Vorrunde“, zu dem es Manager Uli Hoeneß hochgejazzt hatte. Ist die Meinung der Bosse über ihren Trainer auch noch unentschieden? „Wir müssen die Dinge nüchtern und rational betrachten, nicht emotional und irrational“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, „ich will keine öffentliche Diskussion um den Trainer. Der von Uli Hoeneß gewünschte Befreiungsschlag ist nicht gelungen.“

Eine klare Feststellung. Nun tritt man auf der Stelle. Ausgerechnet in einer Woche, die innerhalb von sechs Tagen drei Jubelfeste hätte garantieren sollen: Erst ein Sieg gegen sonst chronisch Münchenphobe Leverkusener, am Mittwoch ein Heimsieg in der Champions League gegen Maccabi Haifa und schließlich eine triumphale Jahreshauptversammlung am Freitag, auf der sich Hoeneß nach 30 Jahren im Manageramt zum Präsidenten küren lässt. Und nun?

Punkt eins ist misslungen. Punkt zwei längst keine Selbstverständlichkeit – mehr noch: bei einem Sieg von Juventus Turin in Bordeaux ist Bayern bereits außen vor auf Europas größter Bühne. Die Mitgliederversammlung droht zum Pulverfass zu werden. Von einem Besuch ist van Gaal wohl eher abzuraten. Sein Kredit bei den Fans scheint verspielt, auch wenn es keine „Raus-Rufe“ gab wie im Frühjahr kontra Jürgen Klinsmann.

Passender Zeitpunkt für eine Entlassung?

Was also soll der Vorstand, der dem Trainer bereits öffentlich Tipps gab, tun? Gibt es einen passenden Zeitpunkt für eine Entlassung? Wäre sie überhaupt richtig? Hätte man einen Nachfolger parat? Das 1:1 gegen Leverkusen war phasenweise lebhaft, aber nur dann, wenn die Spieler taktische Zwänge über Bord warfen. Ansonsten prägte Sicherheitsdenken die Aktionen. Gedankenschwer. Ängstlich. Der Coach wirkte nach dem Spiel schwermütig, wenig kämpferisch. Man könnte meinen, er resigniert bereits.

Und so stellte van Gaal, der sich selbst einst als „dominant und arrogant“ charakterisiert hatte, kleinlaut fest: „Es ist traurig. Wir wollten drei Punkte holen, das haben wir nicht gemacht.“ Ob er fürchtet, entlassen zu werden? „Ich entscheide darüber nicht. Ich muss mich mit meiner Mannschaft beschäftigen, das mache ich, das ist das Wichtigste.“

"Mit Mannschaft und Trainern die Kurve kriegen"

Sie, die Bosse, entscheiden für ihn. „Schönen Abend“ wünschte Hoeneß den Reportern. Ein selbst verpasster Maulkorb. Droht van Gaal demnächst die Entlassung? Rummenigge: „Wir müssen jetzt mit Mannschaft und Trainer gemeinsam die Kurve kriegen. Wenn das nicht gelingt, sehen wir weiter.“ Auf die Frage, ob der Holländer am Mittwoch noch auf der Bank sitzen werde, meinte Bayerns Boss: „Ich habe gesagt, dass ich mich über den Trainer nicht äußere.“ Klingt nach: Der Mann ist auf Abruf.

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